Theater Vorpommern vor dem AUS?!?!

12. Februar 2010

 

Fürs Theater wird es immer enger

     


Nach der Absage der großen Open-Airs in Stralsund und Greifswald ist auch der Spielplan für die kommende Saison am Theater Vorpommern gefährdet. „Solange wir nicht wissen, welche Mittel wir vom Land bekommen, können wir keine Verträge eingehen“, so Intendant Anton Nekovar.

Greifswald (OZ) – „Es macht im Moment nicht so recht Spaß“, sagt Intendant Anton Nekovar. Ihm seien die Hände gebunden, da er noch immer nicht weiß, wie hoch die Zuschüsse des Landes für 2010 ausfallen. Normalerweise müssten jetzt Verträge über Ausstattungen künftiger Aufführungen für die Spielzeit 2010/11 abgeschlossen werden, sagt er. Das sei im Moment aber aufgrund der Situation nicht möglich. Folglich wisse man auch noch nicht, welche Stücke aus dem bereits mit den Sparten und dem Generalmusikdirektor verabredeten Spielplan tatsächlich ab September aufgeführt werden können.

Erst vor zwei Wochen hatten Nekovar und Theater-Verwaltungschef Hans-Peter Ickrath die großen Sommerbespielungen für Stralsund und Greifswald absagen müssen. Geblieben ist nur noch ein Rumpfprogramm, das am Sund sechs und am Ryck zwei konzertante Aufführungen von Carl Orffs „Carmina Burana“, gepaart mit Rockmusik von Pink Floyd, vorsieht. In Greifswald sollen die Konzerte in der Stadthalle stattfinden, in Stralsund im Theater. Außerdem gibt es in Eldena „Eine Woche voller Samstage“ als einzig verbliebenes Open air. „Sie können sich vorstellen, dass mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist“, sagt der Intendant. „Mir blutet immer noch das Herz“, fügt er hinzu.

Einer der Gründe, warum er vor viereinhalb Jahren nach Vorpommern gekommen sei, sei auch die Möglichkeit gewesen, auf einem Schiff in Stralsund „Zar und Zimmermann“ zu inszenieren, sagt er. Aber bereits vor viereinhalb Jahren sei ihm schon klar gewesen, dass man selbst bei größten Anstrengungen den Zeitpunkt des Todes eines Theaters berechnen kann. Die Belegschaft und die Geschäftsführung seien allerdings mit Feuereifer und Aufbietung aller Kräfte dabei, diesen Zeitpunkt möglichst noch lange hinaus zu zögern, beschreibt er die aktuelle Situation. Der Weg werde aber immer dorniger, zumal es sein Credo sei, keine Qualitätseinbußen zuzulassen, so Nekovar. „Täten wir das, würden wir das Vertrauen des Publikums verspielen.“ Das würde die Abwärtsspirale nicht aufhalten, sondern eher beschleunigen, ist der Theaterleiter überzeugt.

Wie weit sich das Damoklesschwert schon über sein Haus senkt, darüber hatte Greifswalds Kultursenator Ulf Dembski (SPD) auf der Bürgerschaftssitzung am 14. Dezember 2009 keinen Zweifel aufkommen lassen. „Die Situation ist so ernst wie nie“, hatte er vor den Abgeordneten gesagt. Nach Stand der Dinge müsste 2011 Insolvenz angemeldet werden. Dembski brachte Überlegungen ins Spiel, die Orchester Neustrelitz/Neubrandenburg und Vorpommern zu vereinen. Seither geht bei den Mitgliedern der Philharmonie Angst um den Arbeitsplatz um. Einen Hilferuf sandten die Musiker beim Festakt zur Eröffnung der Stadthalle am 18. Dezember. Die Aktion kam allerdings beim Greifswalder Gesellschafter sehr schlecht an, wie Oberbürgermeister Dr. Arthur König (CDU) der OZ in einem Interview zum Jahreswechsel anvertraut hatte.

Mittwoch nun tagten die drei Gesellschafter Stralsund, Greifswald und der Landkreis Rügen. Von 9 bis 17 Uhr dauerte die außerordentliche Sitzung im Rathaus am Sund. Dabei sollen alle brisanten Fragen besprochen worden sein. Was aber konkret verabredet wurde, darüber drang bislang kein Wort nach außen. „Es handelte sich um eine nichtöffentliche Veranstaltung, deshalb gibt es auch keine Auskünfte“, so Stralsunds Stadtsprecher Peter Koslik im Auftrag von Senator Wolfgang Fröhling (CDU), der den Vorsitz der Gesellschafterversammlung inne hat. Auch von Ulf Dembski in Greifswald hieß es: „Kein Kommentar!“ Ebenso wollte sich Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Rainer Steffens (CDU), der an der Versammlung teilgenommen hat, nicht zu deren Inhalten äußern.

Schaut man sich bestimmte Zahlen des Theaters an, so machen sie auf den ersten Blick die Brisanz der Situation gar nicht so deutlich. Erst vor kurzem hat das Haus die Zwei-Millionen-Grenze bei Eigeneinnahmen überschritten. Das habe es noch nie gegeben, so der Intendant. Die Zuschauerzahlen steigerten sich von 2005 bis 2009 von 123 000 auf 184 000. Der Zuwachs gehe durch alle Sparten. Es sei gelungen, so Nekovar, in Greifswald mehr Leute fürs Musiktheater zu begeistern und in Stralsund fürs Ballett. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch neue Performances im Stralsunder Ozeanum.

Dorthin lädt das Theater zum Monatsende bereits zum dritten Mal ein. Je 40 Besucher werden dabei halbstündlich durch die Ausstellung geführt und erleben themenbezogene Kunst: Tanz vorm Aquarium, Chorgesang unterm Planktonmeer. Romantik pur, schwärmt Nekovar. Stolz sei er auch darauf, dass es gelungen sei, vom 21. Mai bis 10. Juni den „Rosenkavalier“ mit Solisten und Chor zehn Mal an Schwedens zweitgrößter Oper in Malmö zu zeigen. Zeitgleich gastiert das Orchester in Japan, wohin es zum dritten Mal auf Tournee ist. Ganz neu ist eine Kooperation mit der Oper in Maastricht (Belgien). Dorthin werden Regisseur und Ausstattung für die Oper „Hänsel und Gretel“ verliehen. Mit diesen Kooperationen verdient das Theater richtig Geld, betont der Intendant. Nekovars Augen leuchten auch, wenn er über den Welt-Wagner-Kongress spricht, der im Mai stattfindet. „Der ist uns nicht in den Schoß gefallen“, sagt er. 500 Delegierte werden erwartet.

Bloß alles Geld, welches zusätzlich erwirtschaftet wird, ist auch schnell wieder aufgezehrt. Gemessen an 12,5 Millionen Euro Personalkosten sind zwei Millionen Euro Eigeneinnahmen nämlich nur ein Bruchteil. Im Moment finden die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst statt. Bekanntlich will die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fünf Prozent Erhöhung. Nur vier Prozent erforderten am Theater eine Steigerung aller Eigeneinnahmen um 25 Prozent. Das sind 500 000 Euro. Diese Rechnung hatte Aufsichtsratsmitglied Prof. Wolfgang Joecks (SPD) bereits im Dezember 2009 aufgemacht.

Selbst wenn Ensemble und technische Mitarbeiter zu weitgehendem Verzicht bereit sind, und es zur Einigung für einen neuen Haustarifvertrag kommt (bislang fehlt nur noch die Zustimmung von ver.di) sei völlig unklar, woher zusätzliches Geld fließen soll, da alle Zuschüsse seit 1994 gedeckelt sind. Nekovars Hoffnungen ruhen deshalb auf einer Neuberechnung der Schweriner Kämmerer, wonach das Theater Vorpommern knapp eine halbe Million Euro mehr sogenannte FAG-Mittel bekommen soll. Aber selbst wenn es so sein sollte, wäre auch dieses Geld schnell wieder aufgebraucht. Die Situation bleibt also prekär.

REINHARD AMLER / OZ -Regionalteil Greifswald 12/02/2010

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